Ein städtischer Haushalt in Zeiten von Krisen und wirtschaftlicher Unsicherheit

Volker Richter Bild: SPD Guetersloh

Volker Richter: Haushaltsrede  2023

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
meine Damen und Herren,
wir stehen heute vor der schweren Aufgabe, zu vermeiden, dass die Stadt Gütersloh mit ihrem Haushalt perspektivisch in die Haushaltssicherung rutscht.

Nun, dieses Szenario hat es vor gut zehn Jahren schon einmal gegeben. In der Folge haben wir durch eine sehr positive konjunkturelle Entwicklung über so viel Steuereinnahmen verfügt, dass die angedrohte Haushaltssicherung sich umgekehrt hat, und die Stadt Gütersloh heute über die höchste Ausgleichsrücklage ihrer Geschichte verfügt.
Meine Damen und Herren, ich möchte die damalige Situation nicht mit der heutigen Situation 1:1 vergleichen. Allzu oft habe ich in den vergangenen Wochen jedoch gehört, man wolle nicht zurückschauen, sondern man müsse jetzt nach vorne schauen.

Grundsätzlich ist das sicherlich auch richtig. Wir haben als SPD-Fraktion durchaus Verständnis dafür, dass viele von Ihnen ungerne zurückschauen. Wird man doch an die Fehler, die in der damaligen Situation gemacht worden sind, übrigens gegen unsere Stimmen, ungerne erinnert.

Dennoch: Frau Pöhler hat uns als stellvertretende Kämmerin einen Haushalt vorgelegt, der natürlich von Vorsicht geprägt ist. Das ist auch ihre Aufgabe und das ist auch gut so!
Wir dürfen aber davon ausgehen, dass sich die schwierige konjunkturelle Lage, vor allem die Inflation entspannen und die Konjunktur erholen wird.
Ursache für die derzeitige Situation ist ja zweifelsohne der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgelöste Angriffskrieg gegenüber der Ukraine und in der Folge eine allgemeine Wirtschafts- und Energiekrise. Und wir alle hoffen, vor allem im Interesse der Menschen in der Ukraine, dass dieser barbarische Angriff schnellstmöglich zu Ende geht.

Lassen Sie mich an dieser Stelle schon einen Pflock einschlagen: Die erforderlichen finanziellen Mittel zur Aufnahme und Unterbringung der flüchtenden Menschen aus der Ukraine stehen für uns weder im Haushalt 2023 noch in den Folgejahren zur Disposition.

Gleichwohl ist hier die CDU-geführte Landesregierung natürlich finanziell in der Pflicht. Und diese sollte sie dann auch ausüben.

Ungeachtet dessen weist der Haushalt der Stadt Gütersloh ein strukturelles Defizit aus, und das wird auch nicht alleine durch eine verbesserte konjunkturelle Entwicklung aufzufangen sein.

Aus diesem Grund findet die Gründung eines Arbeitskreises Haushaltskonsolidierung unsere ausdrückliche Zustimmung. Gleichwohl gehört aber zur Problembeschreibung die nicht auskömmliche Finanzierung der Kommunen in Deutschland.

Dieser Arbeitskreis wird sich vor allem mit einer Aufgabenkritik, aber auch mit der Organisationsstruktur der Verwaltung und der Steigerung der Effektivität bei der Wahrnehmung von Aufgaben befassen. Grundsätzlich steht alles auf dem Prüfstand, sowohl hinsichtlich der Notwendigkeit als auch der Effektivität.

Allerdings gibt es Dinge, die für uns als SPD zwingend notwendig sind, und bei denen nicht das Ob, sondern allenfalls das Wie für uns verhandelbar ist. Das betrifft vor allem die Bereiche  Soziales, Bildung, Kinder und Jugend sowie den Klimaschutz.

Für uns gibt es daher drei Vorgaben für eine strategisch ausgerichtete Konsolidierung:
1) Nicht zwingend notwendige Projekte eines „nice to have“ werden wir kritisch hinterfragen. Projekte im Rahmen von Smart City sind hier beispielsweise zu nennen!
Immer noch ist bei diesen Projekten die Rede von “Platzhaltern”, es könnte stattdessen auch ganz etwas anderes realisiert werden, nichts Konkretes liegt vor. Das ist, vorsichtig ausgedrückt, nicht zufriedenstellend nach der langen Zeit und angesichts der Schaffung einer Beigeordnetenstelle für diesen Bereich.

Übrigens: Wir haben der Schaffung dieser Beigeordnetenstelle nicht zugestimmt und sehen uns hier bestätigt!

2) Nicht verhandelbare Punkte gibt es in den Bereichen Soziales, Bildung und Kinder und Jugend, wie z. B. Suppenküche, Angebote der freien Jugendhilfe und einiges mehr.
Wir werden darauf achten, dass nicht Strukturen zerschlagen werden, die wir aktuell oder in Zukunft benötigen. Ein Wiederaufbau wird umso schwieriger.

Die damals eingestellte Ehrenamtskoordination, die erst mühsam wieder aufgebaut werden musste, ist ein Paradebeispiel dafür.

Lassen Sie mich an dieser Stelle meinen Dank an all die vielen Menschen in unserer Stadt ausdrücken, die sich ehrenamtlich engagieren und ohne die das Funktionieren der Stadtgesellschaft nicht möglich wäre.

3) Alle Investitionen sind auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen. In den Jahren 2023 -2025 sind insgesamt 100 Millionen € Investitionen geplant, aber in den vergangenen Jahren wurden nur 50 Prozent der geplanten Investitionen in einem Haushaltsjahr umgesetzt mit der Folge großer Haushaltsreste, also nicht verausgabter Mittel.
Das belastet auch den Haushalt der Folgejahre, da hierfür Zinsaufwendungen und Abschreibungen in den Haushalt eingestellt werden.

An dieser Stelle will ich dann auch ganz konkret auf den Haushalt 2023 eingehen.

Im Haushaltsplan ist vorgesehen, in den nächsten Jahren im Rahmen des Projektes zukunftsfähige Schule über 90 Millionen € zu investieren. Das halten wir für unbedingt erforderlich. Viel zu lange sind die erforderlichen Investitionen in diesem Bereich aufgeschoben worden.

Gleiches gilt für andere Investitionen in Schulbauten. Da ist beispielsweise die Grundschule Neißeweg zu nennen, das Städtische Gymnasium oder insbesondere das Evangelisch-Stiftische Gymnasium.

Hier macht sich das Land mit seiner CDU-geführten Landesregierung einen schlanken Fuß. Es steht immer noch nicht fest, ob sich das Land zu 50 % an den Investitionen des ESG beteiligt. Vor diesem Hintergrund waren wir gezwungen, für das Provisorium 3,5 Millionen € in den städtischen Haushalt einstellen zu müssen, die eigentlich das Land hätte tragen sollen und müssen.

Ebenso gibt es Erhaltungsinvestitionen, zum Beispiel die Straßenunterhaltung, die unverzichtbar sind. Die Gemeindeprüfungsanstalt hat uns deutlich ins Stammbuch geschrieben, dass wir hier zu wenig tun.
Ein Leben von der Substanz hübscht den städtischen Haushalt zwar ein wenig auf. Es handelt sich hier aber nicht um Nachhaltigkeit hinsichtlich der städtischen Finanzen, denn es fällt in Zukunft umso stärker auf uns zurück.

Gleichwohl müssen wir realistisch bleiben hinsichtlich dessen, was angesichts der Personalsituation bei der Stadt Gütersloh umsetzbar ist.

Und ich will auch nicht verhehlen, dass die jetzt entstandenen Defizite bei den Stellenbesetzungen auch ein Ergebnis der Sparbeschlüsse bei den Personalkosten vor ca. zehn Jahren sind.

Grundsätzlich können unseres Erachtens im Haushalt nur die Dinge, die auch realistisch umsetzbar sind und für die konkrete Planungen vorliegen, im Haushalt verankert werden.
Für uns gilt dabei – unabhängig, ob es eine Förderung von dritter Seite gibt – dass klar sein muss, ob uns diese Investitionen weiterhelfen. Letztendlich ist es auch bei Smart City so, dass wir ein Drittel der Kosten tragen müssen.

Alles in allem tragen wir für 2023 den Investitionshaushalt jedoch mit.
Wenn es aber nicht in einigen Bereichen Konkretisierungen geben wird, ist das für 2024 seitens der SPD-Fraktion nicht sichergestellt.

Dennoch haben wir in der SPD-Fraktion intensiv über die Frage diskutiert, ob wir dem Haushalt zustimmen werden, oder ob wir ihn ablehnen.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere die nach wie vor ungeklärte Verbesserung der Trägerfinanzierung von Kindertageseinrichtungen zu nennen.

Die Träger haben sich deutlich positioniert bezüglich einer künftigen Finanzierung durch die Stadt Gütersloh. Wir sind nach aktuellem Stand aber leider keinen Schritt weiter.

Da legt die Verwaltung im Frühjahr 2022 einen Vorschlag vor, der im Herbst noch einmal hin zu einer 100 Prozent – Förderung verbessert wird, und im Rahmen der Haushaltsplanberatungen wird dann alles wieder zurückgezogen. Und dann wird überdies auch noch vergessen, die Vorlagen für die entsprechende JHA-Sitzung zu ändern.
Herr Matthes, hier erwarten wir von Ihnen deutlich verbesserte Leistungen.

Und wir erwarten, dass es im nächsten Jahr eine Regelung geben wird, die den Trägern eine Perspektive eröffnet, und die die Trägervielfalt in der Stadt Gütersloh sichert.

Und auch hier gilt: Die CDU-geführte Landesregierung muss dringend ihre Hausaufgaben bezüglich der finanziellen Ausstattung der Kindertagesbetreuung machen.

Als besonders schwierig betrachten wir auch, dass wir im Bereich der Migrationsberatung und der Beratung von Menschen aus Südosteuropa drei Stellen weggeben, die wir für 45.000 € in Gütersloh hätten halten können. Diese Haushaltsmittel hätten sogar im Haushaltsplan zur Verfügung gestanden.
Das ist die Zerschlagung wichtiger Strukturen, die wir in Zukunft nicht hinnehmen werden.

Ein effektiver Umgang hinsichtlich der städtischen Finanzen erfordert, Drittmittel zu akquirieren beziehungsweise sie zu nutzen, wenn sie bereits zur Verfügung stehen.

Wir müssen darüber hinaus begreifen, dass wir nur zusammen mit Vereinen und Verbänden, mit Institutionen und mit Ehrenamtlichen sicherstellen werden können, dass Gütersloh angesichts der Finanzsituation eine lebens- und liebenswerte Stadt bleibt. Und dafür müssen wir dann auch Geld zur Verfügung stellen.

Es sind übrigens nicht die Beträge von 10.000, 20.000 oder 30.000 €, mit denen wir den Haushalt sanieren oder retten werden. Da müssen wir an die großen Stellschrauben ran. Das werden wir im Rahmen des Arbeitskreises Haushaltskonsolidierung nächstes Jahr tun.

Alles in allem werden wir als SPD-Fraktion aber trotz einiger Kompromisse, die wir eingehen mussten, dem Haushalt 2023 zustimmen.

Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Worte des Dankes äußern.
Ich danke Frau Pöhler und ihrem Team für die Erstellung des Haushaltsplans in dieser sicherlich schwierigen Zeit und der Verwaltung insgesamt für die Arbeit in diesem Jahr.
Darüber hinaus möchte ich mich bei den demokratischen Fraktionen – bei allen unterschiedlichen Auffassungen – für das konstruktive Klima in den Vorbereitungen des Haushaltes bedanken.
Und ich möchte mich ausdrücklich bei den Fraktionen von Bündnis 90 / Die Grünen und BfGT für die im vergangenen Jahr zunehmend intensiver gewordene, zielgerichtete Zusammenarbeit bedanken.