Willkommen in Gütersloh

Der Arbeitskreis Asyl der Evangelischen Kirchengemeinde Gütersloh stellte schriftlich neun Fragen zur Flüchtlingspolitik in Gütersloh an den Bürgermeisterkandidaten Matthias Trepper. Lesen Sie hier seine Antworten auf diese Fragen.

1. Alle reden von Willkommenskultur. Was genau heißt das für Sie?
Wenn Sie BürgermeisterIn werden:
Woran werden Flüchtlinge in Gütersloh merken, dass sie hier willkommen sind?

Willkommenskultur bedeutet für mich, dass wir die Offenheit der Gesellschaft jedem gegenüber wahren müssen. Das ist eine ursozialdemokratische Idee.
Wir wollen unseren NeubürgerInnen eine wirkliche Chance zu einem Neuanfang in unserer Stadt ermöglichen.
Für mich heißt das konkret, dass nach Zurverfügungstellung einer geeigneten Unterkunft alle Voraussetzungen für einen möglichst reibungslosen Start geschaffen werden. Dazu gehört auch eine hinreichende Erstausstattung des dann neuen Haushaltes dazu. Informationen und Hilfestellungen bzgl. Einkaufmöglichkeiten, AnsprechpartnerInnen usw. sind Voraussetzungen für eine schnelle Eingewöhnung.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist dann die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die Voraussetzung für eine gelungene Integration ist. Der erste Schritt ist die Sprache. Als Bürgermeister werde ich dafür Sorge tragen, dass mit Sprachkursen nicht erst nach Abschluss des Asylverfahrens angefangen wird, da dies zu lange dauern kann. Ich werde Möglichkeiten schaffen, recht zeitnah nach ihrer Ankunft Sprachkurse für Flüchtlinge zu ermöglichen.
Teilhabe heißt aber auch, Teilnahme und auch Mitgliedschaften in Vereinen zu ermöglichen oder aber auch standardmäßig auf den Anspruch auf den Stadtpass zu verweisen. Der Stadtpass bietet z.B. durch Vergünstigungen im ÖPNV eine große Mobilität oder aber auch den ermäßigten Eintritt in Schwimmbädern. Derartige Ermäßigungen strebe ich auch bei Vereinsmitgliedschaften an.
Ein sehr wesentlicher Faktor im Zusammenhang mit der Willkommenskultur sind dabei die Menschen. Eine Vielzahl von Menschen engagiert sich in Gütersloh und darüber bin ich sehr glücklich. Alleine durch die hauptamtlichen personellen Ressourcen, sei es in der Stadtverwaltung oder auch z.B. bei der Diakonie, könnte die Betreuung der Flüchtlinge nicht so gewährleistet werden wie ich mir das wünsche. Die vielen Ehrenamtlichen, die in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind, sind für unsere neuen MitbürgerInnen der erste Eindruck ihrer neuen Heimat! Ich möchte dieses Engagement fördern und ausbauen.

2. GütersloherInnen zeigen in ihrer weit überwiegenden Zahl Offenheit und große Unterstützungsbereitschaft für hier angekommene Flüchtlinge. Wie würden Sie als BürgermeisterIn dafür Sorge tragen, dass diese Stimmung erhalten bleibt und Flüchtlinge in unserer Stadt vor fremdenfeindlichen Aktionen sicher sind?

Zunächst einmal freut es mich sehr, dass die GütersloherInnen gegenüber den neuen MitbürgerInnen unserer Stadt so offen sind, denn dies ist, wie man aus den jüngsten Medienberichten entnehmen kann, nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit. Gütersloh selbst ist eine eine vielfältige und bunte Stadt mit Menschen verschiedenster Herkunft. Wir alle leben friedvoll miteinander. Ich bin der festen Überzeugung, dass uns das mit unseren neuen MitbürgerInnen auch gelingen wird.
Voraussetzung ist jedoch, dass man in der Tat miteinander und nicht nebeneinander lebt. Ressentiments und Fremdenfeindlichkeit treten insbesondere dann auf, wenn man sich nicht kennt, sich also fremd geblieben ist. Information der BürgerInnen ist in diesem Zusammenhang ein ganz wichtiges Instrument, Fremdenfeindlichkeit zu verhindern. Ich werde den Kontakt zu BürgerInnen, zu Vereinen und zu Institutionen suchen, um weit in die Gütersloher Gesellschaft hineinzuwirken und Aufklärung zu betreiben. Sollte es dennoch soweit kommen, dass unsere neuen MitbürgerInnen – durch welche Art auch immer – angegriffen werden sollten, ist dies aufs Allerschärfste zu verurteilen und ich würde versuchen mit den BürgerInnen in einen Dialog zu treten und mir ihre Ängste und Sorgen zwar anzuhören, allerdings den Menschen auch zu entgegnen, dass die Menschen die momentan zu uns kommen, vor Krieg und Terror fliehen und es ihnen ganz bestimmt nicht leicht fällt ihre eigene Heimat zu verlassen. Diese Menschen kommen nicht, weil sie wollen, die kommen, weil sie müssen. Aus den genannten Gründen gibt es keine andere Möglichkeit, als aus den Kriegsgebieten zu fliehen, um ihr allerhöchstes Gut – nämlich das eigene Leben – zu schützen. Denn das beste Mittel um gegen Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten ist Aufklärung.

3. Wäre Integration von Flüchtlingen in Gütersloh für Sie als BürgermeisterIn ein Anliegen, für das Sie sich auch persönlich einsetzen würden? Welche Ideen haben Sie dazu?

Selbstverständlich ist die Integration von allen Menschen, die neu in unsere Stadt kommen, ein Anliegen für mich. Diese Menschen sind nun ein Teil unserer Stadt und ich würde mich auch selbstverständlich für sie einsetzen, da ich Bürgermeister aller GütersloherInnen sein möchte. Neben Sprachfördermaßnahmen, die das Fundament für erfolgreiche Integration sind, geht es auch um Teilhabe. Denn Ziel sollte ein Leben miteinander und nicht nebeneinander sein. Ideen dazu hatte ich bereits in der Antwort zu Frage 1 dargestellt.

4. Auf Initiative des Asyl AK und mit kräftiger Unterstützung der Ev. Kirchengemeinde ist in Gütersloh wieder eine Flüchtlingsberatungsstelle eingerichtet worden, die im Umfang einer halben Personalstelle in Trägerschaft der Diakonie betrieben wird. Neben Beratung der Flüchtlinge soll die Stelleninhaberin die Arbeit der Ehrenamtlichen koordinieren und unterstützen. Wie bewerten Sie diese beiden Aufgaben? Wie sollte die Flüchtlingsberatungsstelle Ihrer Meinung nach personell ausgestattet sein? Für wie viele Flüchtlinge soll Ihrer Meinung nach eine Personalstelle zur Verfügung stehen?

Individuelle hauptamtliche Beratung und die Koordination Ehrenamtlicher sind wichtige Aufgaben. Ich bin sicher, dass diese Aufgaben bei der Diakonie in sehr guten Händen sind.
Klar ist jedoch – und das auch schon seit längerem –, dass eine halbe Stelle dafür nicht ausreichend ist. Diese halbe Stelle wird nun auch aufgestockt, was ich sehr begrüße. Die SPD hatte zusammen mit der BfGT ja bereits im Februar dieses Jahres den Antrag gestellt, bereits damals diese Ausweitung zu beschließen. Leider konnte diese Stellenausweitung jedoch erst jetzt umgesetzt werden.
Doch auch eine ganze Stelle ist in meinen Augen nicht genug, um dieses komplexe Aufgabengebiet, beginnend bei allen traumatischen Erfahrungen der Flüchtlinge bis hin zur Beratung hinsichtlich ihres Asylantrages und allem, was dazwischen auch noch zu erledigen ist (Alltagsprobleme, Integration und vieles mehr) zu bearbeiten. Die SPD hat in ihrem Arbeitskreis Soziales dieses Problem bereits aufgegriffen und mit der Diakonie entsprechende Gespräche geführt. Ich gehe davon aus, dass wir bereits im September einen entsprechenden Antrag im Ausschuss für Soziales, Familie und Senioren einbringen werden.
Eine konkrete Zahl, für wie viele Flüchtlinge eine Personalstelle zur Verfügung stehen sollte, lässt sich meines Erachtens nicht festlegen. In diesem Zusammenhang muss auch geprüft werden, ob organisatorische Veränderungen mehr Effektivität bringen können. Wenn wir es schaffen könnten, die Hauptamtlichen zu entlasten, damit sie sich um zentrale Probleme kümmern könnten, dann wäre viel geschafft.
Ehrenamtliche sind in diesem Zusammenhang ein fester Bestandteil, idealerweise auch als Lotsen oder Paten von Flüchtlingen.
Unabhängig davon wird auch eine ganze Stelle auf Dauer nicht genug sein können.

5. Wie stehen Sie zum Konzept der dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen, möglichst in Wohnungen? Was spricht aus Ihrer Sicht dagegen?

Ich stehe uneingeschränkt für die Idee der dezentralen Unterbringung und halte überhaupt nichts von der zentralen Unterbringung, denn Integration erfolgt am besten im Umfeld der Vielfalt. Das ist auch einer von vielen Gründen, weshalb ich die durch den Abzug der britischen Streitkräfte frei werdenden Wohnungen von Seiten der Stadt Gütersloh – entweder durch die Stadt selbst oder eine städtische Tochtergesellschaft – aufkaufen möchte, um an ganz verschiedenen Stellen im Stadtgebiet städtische Wohnungen auch zur Unterbringung von Flüchtlingen bereitstellen zu können.
Aus meiner Sicht spricht nichts gegen die dezentrale Unterbringung, mehr noch halte ich gar nichts von einer zentralen Unterbringung.
Dennoch bereitet uns der starke Zuzug noch Probleme und es ist erforderlich, größere Einheiten wie zuletzt in Blankenhagen zu erwerben. Alternativ könnte man natürlich vermehrt einzelne Wohnungen anmieten. Leider sind hierfür oft Mieten zu entrichten, die 6 Euro pro Quadratmeter deutlich übersteigen. Damit tun wir unseren neuen MitbürgerInnen keinen Gefallen, denn wenn nach erfolgreichem Abschluss des Asylverfahrens dann die Miete selbst getragen werden muss, kann es passieren, dass zu teure Wohnungen wieder verlassen werden müssen, da die staatliche Bezuschussung hier begrenzt ist. Die Menschen wären hoffentlich in ihrem Umfeld integriert und müssten zwangsweise wieder umziehen. Gerade für Flüchtlinge wäre das meines Erachtens eine katastrophale Erfahrung.

6. Der Flüchtlingsrat NRW fordert landesweit Mindeststandards für Flüchtlingsunterkünfte. (siehe Link unten)
7. Wie stehen Sie zu den Forderungen? Gibt es welche, die Sie in Gütersloh für inakzeptabel halten?

Die Mindeststandards finde ich sehr sinnvoll und halte sie für sozial angemessen. Sie zeugen von menschenwürdigen Maßnahmen.
Einige der sog. Mindeststandards sind im Übrigen auf Grundlage geltenden Rechts auch absolut notwendig und unumgänglich, andere wiederum sind derzeit zwar unmöglich einzuhalten, bleiben aber grundsätzlich in ihrer Ausrichtung richtig.
Ganz konkret: Wir müssen derzeit eine Vielzahl von Menschen unterbringen. Derzeit fehlen uns beispielsweise trotz aller Aktivitäten noch ca. 100 Unterbringungsplätze bis zum Jahresende. Ich bin davon überzeugt, dass wird diese Plätze zum Jahresende haben werden, befürchte jedoch, dass wir das in den Standards genannte Raumprogramm verfehlen könnten, weil einfach nicht genügend Wohnraum zur Verfügung steht, der diese Standards erfüllt. Gleichwohl werden wir keine Flüchtlinge in Zelten unterbringen. Wir werden auch nicht in der Lage sein, pro 80 NeubürgerInnen eine/einen SozialarbeiterIn einzustellen. Neben der Kostenfrage ergibt sich auch das Problem, geeignetes Personal zu finden. Bei bis zum Jahresende erwarteten 560 Menschen alleine hier in Gütersloh wären 7 Stellen zu schaffen. Nicht alle Stellen könnten unbefristet eingerichtet werden. Ob sich für befristete Stellen jedoch geeignete BewerberInnen finden würden, ist fraglich.

8. Mit Blick auf Flüchtlingskinder und -jugendliche: Was muss Ihrer Meinung nach ein Konzept für Kinder und Jugendliche enthalten, damit sie von Anfang an in Gütersloh gute Startbedingungen haben? Welche Auswirkungen müsste Ihrer Meinung nach das Konzept auf Kindergärten und Schulen haben?

Für mich muss ein Konzept im Hinblick auf Kinder und Jugendliche größtmögliche Teilhabe und Chancengerechtigkeit beinhalten.
Konkret auf Kindergärten und Schulen bezogen bedeutet das für mich, dass die Kinder der NeubürgerInnen nicht alle in dieselbe Klasse oder Gruppe (im Kindergarten) verteilt werden, sondern sie möglichst auf alle Klassen bzw. Gruppen verteilt werden.
Diese Kinder müssen auch außerhalb der eigentlichen Schulzeit weiter beschult werden, insbesondere in punkto Sprache und dann verstärkt in kleineren Gemeinschaften. Nur so kann es gut möglich sein, dass sie schnell den Anschluss an ihre MitschülerInnen schaffen, was wiederum zu einer gelungenen Integration beitragen würde. Auch hier halte ich das ehrenamtliche Engagement für unverzichtbar.
Was mir ebenfalls sehr wichtig ist, ist die schulische Ausstattung der NeubürgerInnen. Hier ist es unbedingt nötig, dass den Schulen ein entsprechendes Budget zur Verfügung gestellt wird, um eine „Erst- oder Grundausstattung“ für schulische Zwecke den Kindern und Jugendlichen zur Verfügung zu stellen. Es kann und darf nicht sein, dass die Stadt sich aus so einer Aufgabe herauszieht und hier die Fördervereine und privaten Spender diese Aufgabe übernehmen müssen.
Neben dem Erfüllen der Schulpflicht sollte angestrebt werden, dass alle Kinder von Flüchtlingen auch eine Kita besuchen. Da Beiträge erst ab einem Einkommen von 25.000 EUR erhoben werden, wird für diese Kinder kein Beitrag erhoben. Gerade Kinder lernen die Sprache in der Kita ganz schnell – und davon profitieren dann im Optimalfall sogar die Eltern.
Wie bereits bei Frage 1 ausgeführt, sind auch die Einbindung der Kinder und Jugendlichen in Freizeit- und Vereinsaktivitäten ein wichtiger Bestandteil der Integration. Dies erstreckt sich von einer Verlängerung und möglichen Ausweitung städtischer Mittel für das Spielmobil, das insbesondere dann auch vor Ort eingesetzt werden soll, bis hin zur Teilnahme an Angeboten der Jugendarbeit von Gütersloher Vereinen und Verbänden, sowohl wöchentlichen Angeboten als auch an deren Freizeiten.

9. Sollten an solchen Prozessen von Konzeptentwicklung und -umsetzung Haupt- und Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit beteiligt werden? Wie könnte die Beteiligung aussehen?

An Prozessen der Konzeptentwicklung sollten alle beteiligt werden, die sich aktiv in der Arbeit mit Flüchtlingen einbringen. Nur so kann die gesamte Palette von Erfahrung und Wissen genutzt werden. Dennoch können nicht alle Menschen, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren, in gleichem Maße beteiligt werden. Aus dem Treffen unseres Arbeitskreises Soziales mit der Diakonie gibt es die Überlegung, dass die Diakonie Workshops durchführt. Grundsätzlich halte ich das für eine gute Möglichkeit der Beteiligung. Neben Haupt- und Ehrenamtlichen gehören natürlich VertreterInnen auch anderer Gruppen dazu, beispielsweise aus Schulen und Kindergärten.