
von Rainer Holzkamp und
Ludger Osterkamp
Gütersloh. Die Plattform ist Geschichte: Im neuen Rat der Stadt wird es zumindest vorerst kein festes Bündnis geben. Das ist die wichtigste Erkenntnis am Tag nach der Kommunalwahl. Die Spitzen der bisherigen Fraktionen setzen in den kommenden Wochen bis zur konstituierenden Sitzung des Stadtparlaments am 27. Juni auf Gespräche und Sondierungen. Aber es ist davon auszugehen, dass die Entscheidungen im Rat künftig mit wechselnden Mehrheiten fallen werden.
"Wir haben uns schon vor einiger Zeit gedanklich damit angefreundet, dass es wohl zu keiner Neuauflage der Plattform Plus kommen wird", sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Heiner Kollmeyer. Er wies auf den von der UWG angekündigten Ausstieg aus dem Dreier-Bündnis aus CDU, Grünen und den Unabhängigen Wählern hin. Und auch die Grünen hatten seit Monaten kaum noch noch Sympathien für eine Verlängerung der festen Zusammenarbeit. "Daher werden wir uns neu orientieren und mit allen anderen Gespräche führen", meinte Kollmeyer, der in der übernächsten Woche erneut für den CDU-Fraktionsvorsitz kandidiert.
Mit dem Gesamtergebnis (38,3 Prozent) seiner Partei sei er sehr zufrieden, sagte Kollmeyer. Wenn vielleicht etwas schmerze, dann der Umstand, dass die CDU zwei der zu vergebenen 22 Direktmandate nicht erneut geholt habe.
Demgegenüber hätte sich die SPD gewünscht, mehr als nur einen Wahlkreis zu gewinnen. "Drei oder vier haben wir uns schon erhofft", gestand Fraktionsschef und SPD-Spitzenkandidat Thomas Ostermann. Hat er selbst den Erfolg im Wahlkreis 100 schon knapp verpasst, war im Wahlkreis 30 Annette Kornblum noch dichter dran. Am Ende fehlten der Sozialdemokratin zwei Stimmen für das Direktmandat.
Auch die 30-Prozent-Marke wollte die SPD laut Ostermann diesmal nehmen. Aber auch das gelang bei einem Ergebnis von 28,2 Prozent nicht. "Allerdings haben wir auch keine Stimmen verloren." Da frage er sich: "Ist das Glas halb leer oder halb voll?"
Auch Ostermann erwartet im neuen Rat keine festen Mehrheiten. "Vielleicht bahnt sich jedoch im Laufe des kommenden Jahres etwas an."
Rechnerisch denkbar wären freilich schon jetzt zwei Modelle: Erstens: Erneut eine Plattform Plus. Zweitens: Eine Allianz aus SPD, Grünen und BfGT. In beiden Fällen kämen 27 Stimmen zusammen. Das wäre jeweils ausreichend für eine knappe Mehrheit im Rat (52 Sitze plus SPD-Bürgermeisterin).
Für die Grünen sagte deren Spitzenkandidatin Birgit Niemann-Hollatz, sie werde in diesem Stadium keine Aussage treffen über mögliche Konstellationen. "Wir sind nicht festgelegt und gehen offen in die Gespräche." Mit den sechs gewonnen Mandaten hätten die Grünen sich eine starke Grundlage erarbeitet.
Sich schon vor den anstehenden Gesprächen Gedanken über eine Blockbildung zu machen, halte er für die falsche Herangehensweise, sagte BfGT-Chef Norbert Morkes. "Wir tendieren eher zu wechselnden Mehrheiten." Wie die Grünen kommt die BfGT auf sechs Ratssitze.
Die FDP ist ihrerseits nur noch mit einem Mandat im künftigen Stadtparlament vertreten. "Das ist ein Fiasko, da gibt es nichts zu beschönigen", sagte ihr Spitzenkandidat Florian Schulte-Fischedick. Erste Konsequenz: Die FDP hat ihren Fraktionsstatus verloren. Die Fachausschüsse werden ohne die Liberalen tagen, Schulte-Fischedick wird nur noch bei den Ratssitzungen mitstimmen dürfen. Zweite Konsequenz: Die FDP wird ihr Parteibüro in der Schulstraße kündigen.
"Das können wir uns nicht mehr leisten", sagte Schulte-Fischedick. Die Mitarbeiterin, die dort für einige Stunden die Woche tätig war, werde man nicht weiterbeschäftigen können, als postalische FDP-Adresse werde er künftig wohl seine Kanzlei-Anschrift angeben, sagte der Jurist. Da die Kreis-FDP seit der Bundestagswahl und dem Ausscheiden von Heiner Kamp auch in Berlin nicht mehr vertreten ist, benötige sie von dieser Seite auch formal kein Wahlbüro mehr, so Schulte-Fischedick.
"Von einem Trend erwischt" fühlt sich auch Peter Kalley von der UWG. "Ich weiß nicht, warum wir so schlecht abgeschnitten haben. Wir haben gute Kandidaten aufgestellt, für die Jugend und die Erstwähler was gemacht, und dennoch…" Kalley ist der einzige UWG-Vertreter im neuen Stadtrat.
Für die Linke zeigte sich ihr Spitzenkandidat Manfred Reese hochzufrieden. "Wir haben nicht nur unser Ergebnis von 2009 halten können, wir haben es auch um 25 Prozent verbessern können. Das hat keine andere Partei geschafft." Die Linke werde damit künftig wieder in Fraktionsstärke im neuen Stadtrat vertreten sein, und das sogar mit drei Mandaten.
Der als Einzelbewerber angetretene Peter Bunnemann, der 14,1 Prozent in seinem Wahlbezirk holte, zeigte sich damit gestern absolut zufrieden. Ihm sei es gelungen, die Vertreter einiger etablierter Parteien hinter sich zu lassen und mit vielen Menschen ins Gespräch zu kommen. Die Kandidatur sei "eine hochinteressante Erfahrung" für ihn gewesen, ob und in welcher Form er auch künftig politisch tätig sein wolle, wisse er noch nicht.