
Gütersloh (gl). Sachlich, souverän, sympathisch: Die SPD-Landesvorsitzende und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat gestern Nachmittag beim Straßenwahlkampf mit dem Bundestagskandidaten Thorsten Klute in Güterslohs City eine gute Figur gemacht. Im direkten Kontakt mit Passanten, bei einer kurzen Ansprache auf dem Berliner Platz – und beim intensiven Gedankenaustausch mit Josef Außendorf von der vehement für die Friedrichsdorfer Umgehung kämpfenden Bürgerinitiative.
Zwischen einem Redaktionsgespräch bei der „Glocke“ (siehe Seite „Zeitgeschehen“) und dem (nicht öffentlichen) Tür-zu-Tür-Wahlkampf im Mädchenviertel am Spätnachmittag nimmt sich die Spitzenpolitikerin sogar noch die Zeit für einen Abstecher zu Hüsken. Ohne Personenschützer, ganz privat verschwindet Kraft – dunkelblauer Blazer, rote Hose, weißes T-Shirt – in dem Modefachgeschäft und kommt kurze Zeit später zufrieden wieder heraus – allerdings ohne Tasche. „Da muss noch was geändert werden. Ich hol das nachher ab“, sagt sie, ohne zu verraten, was sie erstanden hat.
Unkompliziert auf die Menschen zugehen – das ist ihre Stärke. Mit roten Rosen in der Hand und Thorsten Klute im Schlepptau spricht sie hier zwei Radfahrer aus Belgien an, unterhält sich mit ihnen kurz auf Französisch, und wendet sich dann an Sandra Dinkhoff-Wever. Deren Partner Christian Kunic hatte zuvor versucht, von Hannelore Kraft eine Rose für seine Begleiterin zu ergattern. Das klappt, nachdem die Ministerpräsidentin ein anderes Gespräch beendet hatte. Erst sind die beiden aus Rheda perplex. Doch später nimmt sich Christian Kunic ein Herz, folgt der längst weitergezogenen Hannelore Kraft und spricht sie auf niedrige Renten und die Scham vieler Menschen an, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Das Bittsteller-Denken muss aus den Köpfen der älteren Menschen raus“, stellt die Ministerpräsidentin klar.
Derweil hat Gisela Kohlmann auf dem Markt ein besonderes Erlebnis. Am Dienstag hat Thorsten Klute ihr schon den ganzen Tag ins Auge gesehen – von einem Plakat vor ihrem „Brotzeit“-Verkaufswagen aus. Gestern klopft der Bundestagskandidat plötzlich hinten an die Wagentür – mit einer Rose in der Hand. Das macht Eindruck. Politik ist in dieser Situation Nebensache.
Ganz anders bei den kurzen öffentlichen Statements vor einigen Dutzend Zuhörern. „Thorsten Klute will nach Berlin und muss nach Berlin“, wirbt Hannelore Kraft für ihren Stellvertreter an der Spitze der NRW-SPD. Beifall gibt es auch, als die Ministerpräsidentin die SPD-Steuerpläne verteidigt: „Angesichts vieler Herausforderungen müssen und können starke Schultern mehr Lasten tragen.“ Ähnlich äußert sich Kandidat Klute: „Am 22. September geht es um einen auch auf Dauer handlungsfähigen Staat. Es geht um Investitionen in Bildung und Infrastruktur sowie um mehr Fairness und Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt.“
Runder Tisch zur Ortsumgehung
Gütersloh (mn). Josef Außendorf lässt nicht locker. Mehrfach fordert der 61-Jährige von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft am Rande ihres Wahlkampfbesuchs mit Thorsten Klute in Gütersloh ein klares Ja zur Friedrichsdorfer Umgehung. Die SPD-Politikerin verweist in stoischer Ruhe auf begrenzte Landesmittel für den Straßenbau und auf den fehlenden regionalen Konsens in dieser Frage. „Ohne den geht es nicht“, betont Kraft immer wieder. Außendorf will das nicht wahrhaben und überreicht dem Gast aus Düsseldorf einen Brief mit den Fakten. Am Ende verständigt man sich auf Anregung von Bürgermeisterin Maria Unger auf einen runden Tisch, ein Mediationsverfahren unter Federführung der Bezirksregierung. Der SPD-Landtagsabgeordnete Hans Feuß soll den Prozess in Gang bringen.