Von allen Seiten geschätzt

VON LUDGER OSTERKAMP
Gütersloh. Die Ehrenbezeichnung „Stadtältester“ trug er mit Fug und Recht. Günther Schandert zählte zu jenen Menschen, die sich in der Kommunalpolitik und auf anderen Feldern durch ihr außerordentliches Engagement ein hohes Maß an Anerkennung erworben haben. Am Samstag ist er im Alter von 87 Jahren gestorben.
14 Jahre lang, von 1970 bis 1984, hatte Schandert das Amt des stellvertretenden Bürgermeisters bekleidet. Für die Sozialdemokraten arbeitete er in Stadtrat und Kreistag mit, lange Jahre führte er den SPD-Ortsverein Gütersloh. Als er 1998 das Bundesverdienstkreuz am Bande erhielt, lobte ihn Landrat Fritz Ostmeyer als einen Mann, der sich stets durch „korrekte innere und äußere Haltung“ auszeichne, und als jemanden, der ausgleichend wirke und weit mehr als nur seine Pflicht erfülle. Auch die Vertreter anderer Parteien schätzten ihn.
In einer kinderreichen Familie in Radegast (Sachsen-Anhalt) geboren, absolvierte Schandert eine Lehre als Bauschlosser. Nach Kriegsdienst und amerikanischer Gefangenschaft ging er 1948 als Schlosser zu den Göricke-Werken nach Bielefeld. Dort wählten ihn die Kollegen bald in den Betriebsrat, wenig später trat Schandert der IG Metall bei – ein Schritt, der seine weitere berufliche Laufbahn präsen sollte.
Die Gewerkschaft wusste, was sie an Schandert hatte. Sie ließ ihn Seminare und Kurse besuchen, ließ ihn vier Semester an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg studieren. Als Schandert 1957 mit dem Abschluss Diplom-Volkswirt graduierte, trat er hauptamtlich in den Dienst des DGB ein. Wenig später übernahm er die Leitung der DGB-Zweigbüros Halle und Gütersloh und behielt sie 27 Jahre bis zum Eintritt in den Ruhestand. Mit seinem starken Empfinden von Verantwortung für Staat und Gesellschaft setzte er als oberster Gewerkschafter im Kreis Gütersloh vieles in Bewegung.

In der Kommunalpolitik gehörte er 20 Jahre lang, von 1964 bis 1984, dem Stadtrat Gütersloh an. Ab 1970 saß er zugleich im Kreistag, zunächst in jenem des Kreises Wiedenbrück, danach im Kreistag Gütersloh. Der Gewerkschafter und gelernte Schlosser gestaltete dort in vorderster Front sozialdemokratische Politik mit.
Viele Jahre brachte sich Schandert als ehrenamtlicher Richter bei den Arbeitsgerichten ein, in Bielefeld, dann im Hamm. Bei der AOK arbeitete er in einer Reihe von Gremien mit, anfangs auf Orts-, später auch auf Landes- und Bundesebene. Schandert saß in der Landschaftsversammlung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, im Polizeibeirat und im Ortskuratorium „Unteilbares Deutschland“. Für den vom Krieg geprägten Schandert galt die Demokratie stets als die für den Staat bestmögliche Lebensform; dafür setzte er sich mit aller Kraft ein.
Nach Eintritt in den Ruhestand und Ausscheiden aus den kommunalpolitischen und anderen Gremien wurde es ruhiger um ihn; aufgrund von Durchblutungsstörungen musste er in den vergangenen Jahren eine Reihe von Operationen über sich ergehen lassen, am Ende saß er im Rollstuhl. Seinen Optimismus und seine Lebensfreude ließ er sich gleichwohl nie nehmen. Als er krankheitsbedingt in den Pflegewohnstift am Nordring umziehen musste, dauerte es nicht lange, und er wurde zum Seniorensprecher gewählt.
Schandert hinterlässt Frau und Tochter. Seine Beisetzung findet auf eigenen Wunsch hin im engsten Familienkreis statt.

Foto: Ein Höhepunkt in seinem Leben: Günther Schandert (r.) trifft im Ratssaal von Halle Bundeskanzler Willy Brandt. FOTO: WOLFGANG W. KNOTT