von Rolf Birkholz
Gütersloh. „Das Wichtigste in der Auseinandersetzung mit Extremismus ist Öffentlichkeit.“ Das stellte Ulrich Dovermann, Leiter des Fachbereichs Extremismus bei der Bundeszentrale für politische Bildung, in der Veranstaltung „Die neue Gefahr von Rechts“ fest. Dazu hatte der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Brandner in das Parkbad eingeladen. Rund 120 Besucher waren zu dem Informationsabend gekommen, an dem das Thema grundsätzlich wie auch in seinen Gütersloher Aspekten besprochen wurde.
Brandner nannte es „empörend“, dass die der sogenannten Zwickauer Zelle zugerechnete Mordserie habe geschehen und so lange nicht habe aufgedeckt werden können. Er verlangte eine „absolut offene Aufklärung“. Menschen müssten sich unabhängig von Rasse und Hautfarbe „frei und ungeniert“ in Deutschland aufhalten können. „Wir dürfen nicht zulassen, dass wir ein hilfloser Staat sind.“
Brandners Fraktionskollege und Rechtsextremismus-Experte Sebastian Edathy sprach von „einem Abgrund, mit dem auch ich nicht gerechnet habe.“ Neonazis seien radikaler und jünger geworden, seien heute meist im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Ein Drittel des Bundesvorstandes der NPD sei vorbestraft. Man habe es weniger mit Ewiggestrigen als mit „Neugestrigen“ zu tun, sagte der Abgeordnete aus Nienburg. 700 bis 900 rechtsradikal motivierte Gewalttaten würden jährlich registriert.
Der frühere Innenausschussvorsitzende machte sich für Prävention stark. Es sei „zehnmal besser“, dem Einstieg in die „organisierte Fremdenfeindlichkeit“ mit Geldmitteln vorzubeugen als einen Ausstieg zu finanzieren. „Man muss in Deutschland ohne Angst verschieden sein können“, zitierte er Johannes Rau. Edathy: „Wir überlassen den Rechtsradikalen weder Straßen und Plätze noch die Herzen und Köpfe!“
Wie das zu erreichen sein könnte, legte Ulrich Dovermann dar. Zunächst müsse die politische Diskussion geführt werden. Dann: „Wir müssen die Themen besetzen, in denen die Extremisten stark sind.“ Weiter sei diesen Leuten politische Bildung zu vermitteln. Und es gelte, die Zivilgesellschaft beim Einsatz gegen Extremismus zu unterstützen. Zur Gütersloher Situation (siehe Kasten) fragte Dovermann, ob es hier schon einen lokalen Aktionsplan gebe. Dafür seien auch öffentliche Mittel zu bekommen.
Durch Gewalttaten regional eine „schleichende Bedrohung“ zu schaffen, ist laut dem Fachmann aus Bonn „das wirksamste Mittel der Rechtsextremen“. Und er riet:„Wo Gewalt ist, muss sie sofort öffentlich gemacht werden.“ Nicht erst abzuwarten, was sich entwickle. Wie rekrutieren Neonazis Nachwuchs? Schülern in „prekären Situationen“ etwa Nachhilfeunterricht zu geben, sei „eine der beliebtesten Methoden, wie man sehr schnell an Jugendliche kommt“, sagte Dovermann. Gefährlich seien „nicht nur die, die mit Steinen werfen“, sondern gerade auch die, welche – sich oft auf den „Normalbürger“ berufend – die Ideologie weiter trügen.
Im Gespräch mit den Zuhörern widersprach Edathy der Ansicht, Massenarbeitslosigkeit fördere Rechtsradikalismus entscheidend. Die Folgen eines NPD-Verbots sollten nicht überbewertet werden, so der Abgeordnete. Gleichwohl setze er sich für ein neues Verbotsverfahren ein. Denn diese Partei stehe „eindeutig nicht im rechtsstaatlichen Spektrum“, und es gehe nicht an, dass der Staat die Feinde der Demokratie mitfinanziere.
Bild v.l.n.r.: D.Selent (Jusos), K. Dovermann (BpB), K. Brandner (MdB), S. Edathy (MdB)