Brandner: „Demokratisierung ist eine Herausforderung“

Aus erster Hand berichtete Frau Heba Ahmed vom politischen Umbruch in Ägypten. In der gut besuchten Veranstaltung diskutierte auf Einladung der SPD-Gütersloh die ägyptische Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung gemeinsam mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Brandner über die Zukunftsaussichten Ägyptens: „Die protestierenden Ägypter fordern Demokratisierung, sozialen Ausgleich und Chancengerechtigkeit. Wenn man die politische Gesamtsituation bedenkt, sind das sehr große Herausforderungen, die hoffentlich gelingen“, kommentierte Brandner, der als Vorsitzender der Deutsch-Ägyptischen Parlamentariergruppe die Situation in Ägypten sehr genau verfolgt.
„Von der Revolution habe ich im Vorfeld über das Internet erfahren“, erzählte die 24-Jährige jetzt in Gütersloh, die nach ihrem Abitur auf der deutschen Schule in Alexandria in Berlin Philosophie studiert. Über die politischen Vorgänge in ihrer Heimat konnte sie sich trotz circa 3000 Kilometer Distanz sehr gut informieren: „Bevor am 25. Januar die erste Massendemonstration auf dem Tahir-Platz in Kairo stattfand, war ich eingeweiht – über das Internet habe ich mit den politischen Aktivisten vor Ort diskutiert“. Als die Proteste in Ägypten anliefen, konnten ihre deutschen Mitstudenten es noch gar nicht fassen. Aber Ahmed beteiligte sich sofort an der Gründung eines Unterstützernetzwerks für die Revolution in Ägypten.

Brandner hatte Ahmed bei einem von der Friedrich-Ebert-Stiftung organisierten Gespräch zwischen deutschen Parlamentariern und arabischen Stipendiaten kennengelernt. Der Abgeordnete war sofort begeistert von dem mutigen Engagement der jungen Frau und hatte sie deshalb in seinen Wahlkreis eingeladen. „Heba kann uns verständlich machen, wie der plötzliche politische Umbruch in Ägypten möglich war. Als deutsche Betrachter haben wir von außen häufig nicht wahrgenommen, dass Ägypten im politischen Dauer-Ausnahmezustand regiert wurde“, erläuterte Brandner.

Ahmed berichtete, dass es freie Wahlen, Meinungsfreiheit und faire Gerichtsverfahren in ihrer Heimat bisher nicht gegeben hat. „Auch die sozialen Gegensätze und die Vetternwirtschaft verfestigten sich immer weiter, die Arbeitslosigkeit beträgt aktuell über 20 Prozent“, fügte der Abgeordnete hinzu. Trotzdem habe sich innerhalb der Diktatur eine gutausgebildete Mittelschicht entwickelt, die sich über das Internet vernetzen konnte und die Ungerechtigkeiten im eigenen Land nicht länger hinnehmen wollte. „Ahmed ist ein Teil der kritischen und gut informierten Generation, die den Sturz der Diktatur erst möglich gemacht hat“, so Brandner.

Genauso wie der Abgeordnete sorgte sich die Philosophiestudentin darum, dass aus der ägyptische Revolution eine wirklich stabile Demokratie erwächst. Dafür seien die nächsten Monate entscheidend, wenn nach freien Parlaments- und Präsidentschaftswahlen eine Verfassung erarbeitet werden soll. Ahmed engagiert sich vor allem für die Rechte der Frauen im neuen Ägypten, sie ist Deutschland-Vertreterin der neugegründeten Ägyptischen Frauenunion: „An den meisten bisherigen Revolutionen waren Frauen maßgeblich beteiligt – trotzdem sind sie nachher wieder unterdrückt worden.“ Das soll in Ägypten anders werden. Brandner fügte als Gewerkschafter und ehemaliger IG-Metall-Bevollmächtigter einen für ihn entscheidenden Aspekt hinzu: „Für mich ist Demokratie ohne unabhängige Gewerkschaften nicht vorstellbar. Deshalb unterstütze ich den Aufbau demokratischer Gewerkschaften, die in gegenseitiger Verantwortung mit anderen Kräften in der Gesellschaft die Entwicklung vorantreiben.“