Integration durch schulische Bildung als Herausforderung

Zu ihrer Zukunftswerkstatt „Integration und schulische Bildung“, die von gut 60 interessierten Bürgerinnen und Bürgern besucht wurde, hatte die SPD am vergangenen Dienstag eingeladen. Neben dem Vorsitzenden des Landesintegrationsrates NRW, Tayfun Keltek, saßen die Gymnasiallehrerin Georgette Hanun und der Berufsschullehrer Cem Özel auf dem Podium in den Räumen des Assyrisch- Mesopotamischen Vereins in Gütersloh. Alle drei Gäste, so der SPD-Vorsitzende Thomas Ostermann, dienten mit ihrer jeweiligen Zuwanderungsbiografie als vorbildliche Beispiele einer gelungenen Integration.

Auf der Grundlage der Erfahrungen des Landesintegrationsrates und den vorliegenden Ergebnissen der jüngsten PISA – Studie zeigte Tayfun Keltek, in welchem Ausmaß Kinder aus Familien mit Zuwanderungshintergrund in der schulischen Bildung benachteiligt sind. Das Bildungssystem werde den Betroffenen nicht gerecht und die Bundesrepublik verzichte auf die Entwicklung der vielfältigen Begabungspotenziale.
Der häufig beobachtete Schwächen-orientierte Bildungsansatz könne nicht die Zweisprahigkeit und die interkulturellen Fähigkeiten der Jugendlichen nutzen. Ähnliche Beobachtungen wies Keltik für die Kinder aus sozial benachteiligten Familien nach. Eine Ursache für dieses Ergebnis sah der Referent in der Selektion durch das gegliederte Schulwesen. Um falschen Weichenstellungen vorzubeugen, sei der Unterricht in interkulturellen und integratien Schulen von Nöten. Hier müsse eine Didaktik des mehrsprachigen Unterrichts entwickelt und eingebracht werden. Keltek: „ Deutsch als alleinige Unterrichtssprache zielt allein auf die fachlichen Inhalte ab. Dabei wird oft vergessen, dass die deutsche Sprache bei den Schüle-rinnen und Schülern noch nicht hinreichend ausgeprägt ist. Damit erreicht der Unterricht die Kinder zu häufig nicht.“
Neben Deutsch und Englisch sollte die Herkunftssprache Berücksichtigung finden, denn Kinder, die ebenfalls in ihrer Muttersprache unterrichtet werden, lernen die deutsche Sprache besser und können dem Unterricht nachweislich erfolgreicher folgen.

Georgette Hanun betonte, dass besonders die derzeitigen integrativen Schulformen zunehmend größere Anteile an Sozialarbeit leisten müssten. Allerdings stünden die für vordringlich gehaltenen fachlichen Belange an allen Schulformen meist im Vordergrund. Die Forderung nach einer Einbindung jedes Kindes in den Unterricht sei nicht zu erfüllen und individuelle Förderung in der pädagogischen Praxis oft nicht gewährleistet. Hanun: „Für eine Reform der Schule sind sozialarbeiterische und psychologische Betreuung immer mitzudenken. Die Gesellschaft darf die wachsende soziale Nachfrage in den Schulen nicht länger ignorieren.“

Für Cem Özel umfasst der schulische Bildungsauftrag auch das Ziel, Kinder und Jugendliche zu einem selbst bestimmten Leben zu führen. Lehrerinnen und Lehrer müssten mit ihrer Schule Brückenbauer in die Gesellschaft sein. Özel: „Lernen braucht Fachlichkeit, aber Lernen kann auch auf Selbstbewusstsein nicht verzichten.“ Die Förderung von individuellen Begabungen erleichtert Integration, die Spielräume hierfür fehlen leider meist. Individuelle Neigungen und Fähigkeiten sollten frühzeitig entwickelt und gestärkt werden. Allerdings müsse dazu der muttersprachliche Unterricht gestärkt werden. Özel: „ Gegebenenfalls muss dazu auch einmal die Defizitbeseitigung hinter der Förderung der Stärken zurück stehen. Wir müssen dahin kommen, dass Heterogenität zum Normalfall wird.“

In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass dem Stellenwert der individuellen Betreuung der Schülerinnen und Schüler mehr Gewicht verliehen werden muss. Zudem müsse die materielle und personelle Förderung für die einzelnen Schulen ausgebaut werden. Mehr Förderung und mehr Ressourcen sollten den Schulen zukommen, die besonders stark von Kindern aus vielfältig benachteiligten Familien und von lernschwächeren Schülern besucht werden. Besonders für diese Schulen muss es zukünftig mehr ´Brückenbauer` geben, damit diese Jugendlichen nicht noch stärker von den Chancen der gesellschaftlichen Teilhabe abgekoppelt werden.

Abschließend bot Thomas Ostermann für diesen Dialog die Hilfe seiner Partei an: „Wir sind stets um das Gespräch mit den Betroffenen bemüht. Auch wir erreichen nicht mehr alle Jugendlichen oder deren Eltern. Aber wir sind offen für alle Erfolg versprechenden Lösungsansätze und würden uns freuen, wenn Sie weiter mit uns im Gespräch bleiben würden. Insbesondere darf es keine Ausgrenzung und keine Entwicklung von Parallelgesellschaften geben. Für uns als SPD hat auch zukünftig die Solidarität Vorrang!“