
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens hat in der Sitzung des Bundesrates vom 19. Dezember 2008 der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen zugestimmt. In dieser Konvention heißt es in Artikel 24, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden dürfen und Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben müssen. Weiter heißt es, dass die Vertragsstaaten dazu verpflichtet seien, geeignete Maßnahmen zur Einstellung von Lehrkräften zu ergreifen. Die UN-Konvention bestimmt also nicht nur das Ziel eines integrativen, gemeinsamen Unterrichts von Menschen mit und ohne Behinderung, sondern legt auch fest, dass dieser durch eine ausreichende Einstellung von Lehrkräften gewährleistet werden muss.
Die UN-Konvention fordert – auch wenn dies in der deutschen Übersetzung nicht berücksichtigt wurde – ein „inclusive education system“. Ein solches inklusives Bildungssystem unterscheidet sich von einem integrativen System. Die integrative Pädagogik strebt die Eingliederung der aussortierten Schülerinnen und Schüler an. Eine inklusive Pädagogik hingegen sortiert erst gar nicht aus. Inklusion bedeutet, dass Strukturen und Didaktik von vornherein auf die Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schüler und individuelles Fördern und Fordern ausgerichtet sind. Auch wenn ein selektives Schulsystem wie das deutsche zunächst bestenfalls ein integratives seien kann, muss das Ziel die Inklusion sein. Notwendig ist deshalb eine Neuorientierung in der sonderpädagogischen Förderung, die die gegenwärtige integrative Phase als Übergangsphase zu einem vollständig inklusiven Bildungssystems des gemeinsamen Lernens bis zum Ende der Pflichtschulzeit betrachtet.
Dass die Umsetzung der UN-Konvention eine Verpflichtung für die Landesregierung sein muss, unterstreicht die Landesbehindertenbeauftragte Angelika Gemkow (CDU). Sie stellte in ihrer Pressmitteilung vom 14. März 2009 fest: „Die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung formuliert Menschenrechte und macht diese weltweit verpflichtend. Erstmals werden Visionen und Ziele rechtlich verankert. Die Konvention steht für die Werte, auf die unser Gesellschaftssystem aufgebaut ist. Sie ist eine weltweite Verpflichtung, Diskriminierung und Ausgrenzung behinderter Menschen zu bekämpfen sowie Teilhabe zu sichern. Sie ist eine wichtige Richtschnur, an der wir zukünftig unsere behindertenpolitischen Positionen und Zielsetzungen sowie unsere gesetzlichen Grundlagen weiter entwickeln müssen.“
Das gemeinsame Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf hingegen ist selten. Die Quote der gemeinsamen Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen oder Lern- und Entwicklungsstörungen liegt in Nordrhein-Westfalen an allgemeinbildenden Schulen im Schuljahr 2007/2008 bei 12,6 Prozent (rund 16.000 Schülerinnen und Schüler). Dazu der SPD Kreisvorsitzende Hans Feuß: „Damit liegt Nordrhein-Westfalen deutlich unter dem bundesweiten Durchschnittswert von 17 Prozent. International liegen die Quoten deutlich höher: In Norwegen und Italien z.B. bei fast 100%, in Großbritannien, Schweden, Dänemark und Österreich über 30%.“
In dem Antrag wird die Landesregierung aufgefordert, als Sofortmaßnahme den Integrations- sowie den GU-Klassen ausreichende Ressourcen bzw. Lehrerstellen zur Verfügung zu stellen. Außerdem soll die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen oder Lern- und Entwicklungsstörungen in das allgemeine Schulsystem als Leitgedanken festgeschrieben werden. Darüber hinaus sollen sonderpädagogische Bausteine fest in der Lehreraus- und –fortbildung verankert werden.
Noch einmal Hans Feuß: “Die bisherigen Erfahrungen im gemeinsamen Unterricht an den Grundschulen des Kreises sind durchweg positiv, auch an der August-Claas-Hauptschule in Harsewinkel, die den gemeinsamen Unterricht erst zu Beginn des Schuljahres eingeführt hat. “
Für Feuß bringt der Kabarettist Jürgen Becker aus Köln das Prinzip des gemeinsamen Unterrichts auf den Punkt. Becker sagt. „Integrativer Unterricht ist das natürlichste Prinzip der Welt. Nehmen wir die Schlange, ein Tier ohne Arme und ohne Beine. Lebt die deswegen in einem speziellen Behindertengebüsch? In einem Ghetto-Wald mit anderen Handicap-Tieren? Nein, sie lebt ganz normal gemeinsam mit Vierbeinern, Vögeln und Mäusen. Letztere hat sie sogar zum Fressen gern!“